„An den Todtengräber"
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|Fundstücke in Kirchenbüchern - Gedicht „An den Todtengräber“
Die in Kirchenbüchern üblichen Eintragungen sind Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Bestattungen. Doch daneben enthalten sie mancherlei Interessantes wie zum Beispiel Notizen über Kirchenbrände, Unwetter, Diebstähle, auch herzogliche Verordnungen, Auflistungen von Gefallenen, von Predigern und Küstern, von Selbstmördern, von Auswanderern, von Bademüttern etc., etc.
Und zugegebenermaßen sind auch diese Besonderheiten in den Kirchenbüchern nicht wirklich etwas Neues oder Überraschendes. Bisher bin ich allerdings immer nur zufällig auf diese manchmal kleinen, leicht zu übersehenden Merkwürdigkeiten gestoßen. Im Gegensatz zu meinen Kolleg*innen in Schwerin, die sich die Mühe gemacht haben, diese Dinge zu sammeln und in einem Aktenordner aufzulisten.
Dieser Ordner findet sich zwischen Beständeübersichten und Findbüchern im Lesesaal in Schwerin. Schaut gern bei eurem nächsten Besuch in unserem Archiv hinein. Und bis das wieder möglich ist, findet ihr an dieser Stelle immer mal wieder ein paar Überraschungen aus unseren Kirchenbüchern.
Heute habe ich ein Gedicht ausgesucht. Ihr habt es in der Überschrift schon gelesen. Sein Titel lautet: An den Todtengräber. Es ist auf ein lose im Bestattungsbuch von Schlagsdorf liegendes Blatt geschrieben. Auf dem Foto könnt ihr erkennen, dass es ein bisschen zerknittert ist und ein paar Risse hat. Wenn ihr es in der Hand hieltet, spürtet ihr die Festigkeit und Glätte des Blattes, die es durch seine Restaurierung erhielt.
Als Verfasserin ist Luise Krause g[eborene] v[on] Finck genannt. Anfangs hatte ich die stille Hoffnung, eine bislang unbekannte Dichterin entdeckt zu haben. Dank der Unterstützung meiner Kollegin bei der Suchanfrage im Internet und einige Klicks später war ich schlauer.
Denn ich fand unsere Dichterin im „Lexikon deutscher Frauen der Feder - Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren nebst Biographien der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme“ - herausgegeben von Sophie Pataky und erschienen in der Verlagsbuchhandlung von Carl Pataky, Berlin 1898. Ihre darin enthaltene Biographie ist eher spärlich: "Charlotte Luise Krause geb. v. Fink, geboren 1785 in Klein-Neundorf bei Löwenberg in Schlesien".
Ihr Gedicht an den Todtengräber wurde 1812 in der Leipziger Literatur-Zeitung publiziert und rezensiert. Zu guter Letzt sei noch auf weitere biographische Details in Pierer’s Universal-Lexikon verwiesen. Aber das lest ihr besser selbst nach. Und wenn Ihr schon dabei seid, dann werft doch auch noch einen Blick in den „Actenmässigen Bericht über die erste Versammlung deutscher Schriftstellerinnen“, die 1846 in Weimar stattfand und unter deren Teilnehmerinnen auch Luise Krause war. Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Eine Frage werde ich wohl nicht mehr klären können: wie kam das Gedicht ins Sterberegister (1810-1903) von Schlagsdorf?
Meine Transkription des Textes findet ihr hier:
An den Todtengräber
Grab‘, Alter, o grabe mein Grab!
Ich sinke mit Freuden hinab.
Aus jenem unendlichen Schlummer,
Erwacht uns nicht Freude, nicht Kummer,
Umgeben von heiliger Ruh,
Deckt mütterlich Erde mich zu.
2⁄
Wie sind deine Locken so weiß!
Sieh, Alter, schon bist du ein Greis,
Schon gräbst du der Gräber so viele
Bald nahst du dich selber dem Ziele
Wo freundlich die Palme dir winckt
Der Spaten den Händen entsinckt.
3⁄
O, naht ich dem Tode mich bald!
In rosiger Freundin Gestalt.
Will ich sein Erscheinen mir denken,
Ich sehe die Fackel ihn senken!
Er senkt sie, da! Leben entflieht,
So wie ihre Flamme verglüht.
4⁄
Grab! Freundlicher Alter, mein Grab!
Ich sehne mich innig hinab.
O! Könnt ich schon heute erblaßen!
Ich stehe verwaist u verlaßen;
Kein Herz mit dem meinen vereint,
Kein Auge das einst mich beweint.
5⁄
So freudlos, verbant und allein,
ward längst mir das Leben zur Pein.
Im Hertzen den polterndsten Kummer,
Ach flohen mich Ruhe und Schlummer;
Vom Schicksal zu Boden gedrückt
Hat nie mich sein Lächeln beglückt.
6⁄
Doch bald ist mein Sehnen gestillt
Der Wunsch meines Herzens erfüllt.
Die rosigen Wangen verblühen;
Die funkelnden Blicke verglühen;
Allmälig schlägt leiser das Herz
Und scheidet von Freude und Schmerz. Luise Krause g. v. Finck
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