Seeleute an Land

| von Anne-Christin Draeger |

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Altonaer Hafen die „Fischer- und Schifferstube“ gegründet, die sich im Laufe der Jahre zur Altonaer Seemannsmission entwickelte. Die Stube und das später erbaute Seemannsheim boten den Seeleuten eine Anlaufstelle, wenn sie zwischen ihren Stellen an Land waren. Sie konnten hier nicht nur schlafen und essen, sondern auch Post abholen oder aufgeben, ein seelsorgerliches Gespräch suchen oder die sogenannten Lesezimmer mit Zeitungen u.Ä. aufsuchen.

Die Situation in den deutschen Häfen war in den Jahren nach dem Ende des 1. Weltkrieges schwierig und hatte eine hohe Zahl an arbeitslosen Seeleuten zur Folge. Die Seemannsmission Altona sah es daher als ihre Aufgabe (vorübergehend) eine Stelle an Land zu schaffen, um die größte Not unter den Seeleuten zu lindern und ihnen den Weg in die Obdachlosigkeit zu ersparen.

Man entschied sich für einen „Holzplatz“, der im Sommer 1924 eingerichtet wurde. Ursprünglich in der Großen Elbstraße angesiedelt, zog der Holzplatz schon knapp anderthalb Jahre nach seiner Einrichtung in die Weidenstraße 40 (heute Virchowstraße) um. Dort konnten die Gebäude der ehemaligen Knabenarbeitsschule, die ebenfalls einen Holzplatz betrieben hatte, genutzt werden. Das Grundstück mietete die Seemannsmission vom Wohlfahrtsamt Altona, das es von der Baur’schen Stiftung überlassen bekommen hatte.

Auf dem Holzplatz konnten sich arbeitslose Seeleute melden und dort entweder nur eine Übernachtung oder aber auch zusätzlich Verpflegung und Kleidung erarbeiten; eine Auszahlung von Bargeld wurde bewusst nicht angeboten. Eine Übernachtung kostete beispielsweise einen Korb Kleinholz, wer auch verpflegt werden wollte, musste 14 Körbe Kleinholz pro Tag erarbeiten. Dabei war genau festgelegt, wie viel Nahrung jedem pro Tag und Mahlzeit zustand.

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Neben den Seeleuten durften pro Tag auch 30 entlassene Strafgefangene dort arbeiten, was Teil einer Resozialisierungsmaßnahme war. Diese Maßnahme wurde von den städtischen Behörden finanziell unterstützt und auch die Betreuung weiterer umherziehender Arbeitsloser. Die Nachfrage war groß, so dass im Jahr 1926 dort 458 Personen (in 5240 Arbeitstagen) beschäftigt wurden. Mit rund 65% waren die Seeleute aber die größte Gruppe.

Der Holzplatz belieferte in seinen besten Zeiten 1200 Abnehmer mit Brennholz und stellte ab dem Jahr 1928 auch Weihnachtskrippen zum Verkauf her.

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Trotzdem konnte der Holzplatz dauerhaft nur mit Spenden betrieben werden und er überlebte nur, weil das Wohlfahrtsamt jedes Jahr gebeten wurde, auf die Miete zu verzichten.

Anfang der 1930er Jahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation des Holzplatzes, was u.a. am Anstieg des Holzpreises im Einkauf lag und einer gleichzeitigen Verringerung des Preises bei Lieferung an die Stadt, die ein wichtiger Kunde war. Auch die Verringerung der Arbeitslosenzahlen ab den 1930ern, die Einziehung von Seeleuten zur Kriegsmarine und die Einschränkungen durch die nationalsozialistische Regierung generell gegen die Seemannmission führten dazu, dass der Holzplatz im Frühjahr 1938 schließen musste.

Bis dahin war der Holzplatz für die allermeisten Seeleute aber eine wichtige Anlaufstelle gewesen, die es ihnen ermöglichte, ein Dach über dem Kopf, Essen und Kleidung zu erhalten, während sie nach einer Stelle auf einem Schiff suchten.

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Alle Abbildungen aus: Landeskirchliches Archiv der Nordkirche, 40.31 Seemannsmission Altona, Nr. 119 und 752.

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